Mein Weg mit Behinderung und Mut

Ich bin Alexander Ramm – Jahrgang 1981, Familienmensch, Optimist, Autor, Gründer von InkluFusion e.V. Aber vor allem: Ich bin ein Mensch mit Ecken, Tiefen, Humor und der Hoffnung, dass wir gemeinsam etwas bewegen können.

Schon als Kind war klar, dass mein Sehvermögen nicht mit dem anderer Kinder mithielt. Trotzdem versuchte ich, meinen Weg zu gehen – mit Brille, mit Anstrengung, mit der Hoffnung, irgendwann dazuzugehören. Ich habe früh gelernt, was es heißt, sich durchzubeißen.

Mein beruflicher Weg war geprägt von vielen Stationen: Ich habe Ausbildungen begonnen, Firmen haben Insolvenz angemeldet, ich habe neu angefangen. Als Informatikkaufmann und später als Leiter eines Ladengeschäfts übernahm ich Verantwortung – für Prozesse, für Mitarbeiter, für Auszubildende. Ich mochte das. Es machte Sinn.

Doch irgendwann konnte ich Produkte nicht mehr richtig erkennen. Kunden fragten nach Etiketten, nach Details – und ich sah sie nicht mehr. Ich wollte nicht, dass meine Einschränkung auf mein Team oder mein Unternehmen zurückfällt. Also haben wir gemeinsam entschieden: Es ist Zeit für einen neuen Abschnitt.

Heute bin ich in Rente – und dennoch aktiver als je zuvor. Ich engagiere mich für Inklusion, kläre über seltene Krankheiten auf und versuche jeden Tag, ein kleines bisschen Mut weiterzugeben.

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Meine Erkrankungen auf einen Blick

Man sieht nicht immer, was Menschen mit sich tragen. Hier findest du eine Übersicht meiner Diagnosen – verständlich erklärt und verlinkt mit allen Details.

Retinitis Pigmentosa – Wenn das Blickfeld langsam schrumpft

Stell dir vor, du schaust durch einen Tunnel. Am Anfang ist dieser Tunnel noch weit und hell, aber mit der Zeit wird er enger. Und irgendwann bleibt nur noch ein kleines Guckloch übrig. Genau so fühlt sich Retinitis Pigmentosa (kurz: RP) an – zumindest für viele Betroffene.

RP ist eine seltene, genetisch bedingte Augenerkrankung. Sie schädigt die Netzhaut im Auge – also den Teil, der Licht aufnimmt und an das Gehirn weiterleitet. Besonders betroffen sind die sogenannten „Stäbchen“, die fürs Sehen in der Dunkelheit zuständig sind. Später folgen oft auch die „Zapfen“, die Farben und Details erkennen.

Die Folge: Zuerst verschlechtert sich das Sehen in der Dämmerung oder bei Nacht. Dann geht langsam das periphere Sehen verloren – also das, was du „aus dem Augenwinkel“ wahrnimmst. Im Verlauf schrumpft das Gesichtsfeld immer weiter zusammen. Viele nennen es deshalb „Tunnelblick“. Bei einigen verschlechtert sich auch das zentrale Sehen, bis zur vollständigen Erblindung.

Nicht jeder Verlauf ist gleich. Es gibt über 100 Gene, die RP auslösen können. Meine Form heißt RP13 – sie ist sehr selten und vererbt sich autosomal-dominant. Das bedeutet: Wenn ich ein Kind bekomme, liegt das Risiko bei 50 %, dass es auch betroffen ist. Ich bin unendlich dankbar, dass mein Sohn gesund ist.

RP ist bislang nicht heilbar. Es gibt keine Medikamente, keine Operation. Aber es gibt Hoffnung: Forschung, Gen-Therapien, Netzhautimplantate – sie machen kleinen Mut.

Was bedeutet RP für mich? Ich stoße an Menschen. An Laternen. Ich sehe keine Mimik, keine Gesten. In fremden Räumen brauche ich Zeit, um mich zu orientieren. Die Augen ermüden schnell. Alles ist anstrengender – aber nicht unmöglich. Ich sehe nicht „gar nichts“. Aber ich sehe ganz anders. Und das jeden Tag ein bisschen weniger. RP verändert mein Leben – aber nicht meinen Willen, es aktiv und selbstbestimmt zu gestalten.

Uveitis – Wenn das Auge Feuer fängt

Stell dir vor, dein Auge wäre eine Kamera. Wenn alles gut läuft, nimmt sie klare Bilder auf. Doch was, wenn sich im Inneren plötzlich etwas entzündet? Als würde jemand die Linse vernebeln und dabei auch noch ein kleines Feuer anzünden. Das beschreibt Uveitis ziemlich gut.

Uveitis ist eine Entzündung im Inneren des Auges. Sie kann ganz unterschiedliche Bereiche betreffen: die Regenbogenhaut (Iris), den Ziliarkörper oder die Aderhaut. Manchmal betrifft sie alle gleichzeitig – und das macht es so tückisch.

Sie ist meist nicht sichtbar von außen. Viele denken: „Sieht doch normal aus!“ Aber für mich fühlt es sich an, als hätte jemand ein Streichholz ins Auge gehalten.

Die Ursachen? Nicht immer bekannt. Manchmal steckt eine Autoimmunerkrankung dahinter, manchmal bleibt sie einfach unerklärlich. In meinem Fall steht sie in Zusammenhang mit meiner Grunderkrankung. Leider ist sie chronisch – das heißt: Sie kommt immer wieder.

Behandlung bedeutet oft Cortison – als Tropfen, Tablette oder sogar als Injektion ins Auge. Das hilft gegen die Entzündung, bringt aber oft Nebenwirkungen mit sich. Auch Augendruck und Netzhaut können langfristig Schaden nehmen.

Was bedeutet Uveitis für mich? An schlechten Tagen sehe ich wie durch Dunst. Licht tut weh. Ich kann kaum rausgehen, ohne dass meine Augen „ausrasten“. Und auch drinnen sind Alltagstätigkeiten wie Lesen oder Bildschirmarbeit kaum möglich. Es fühlt sich an, als würde das Auge gegen mich kämpfen. Aber: Ich habe gelernt, die Signale früh zu deuten. Ich weiß, wann ich handeln muss. Ich habe Ärztinnen, denen ich vertraue. Und ich weiß: Es wird auch wieder besser. Immer wieder.

Mouches Volantes – Die kleinen Störenfriede im Blick

Stell dir vor, du schaust in den Himmel, und plötzlich tanzen kleine Fussel oder Punkte vor deinen Augen. Sie schweben mit jeder Augenbewegung mit, lassen sich nicht fest fixieren und verschwinden auch nicht – egal wie oft du blinzelst. Das sind Mouches Volantes, auf Deutsch: „fliegende Mücken“.

Im Inneren des Auges befindet sich der sogenannte Glaskörper – eine gelartige, klare Substanz. Im Laufe der Zeit kann sich dieser Glaskörper verändern, kleine Verdichtungen oder Ablösungen bilden. Genau diese Unregelmäßigkeiten werfen Schatten auf die Netzhaut – und diese Schatten sehen wir als Mouches Volantes.

Sie sind nicht gefährlich – aber extrem störend. Man kann sie nicht „wegsehen“. Man kann sie nicht behandeln. Und sie sind vor allem in hellen Umgebungen sichtbar – beim Blick auf eine weiße Wand, in den Himmel oder auf ein Display.

Was bedeutet das für mich? Ich sehe sie ständig. Manchmal nur dezent, manchmal richtig auffällig. Sie tanzen mit jeder Augenbewegung, als wollten sie mich ärgern. Gerade in Kombination mit RP, also ohnehin eingeschränktem Sehfeld, wirken sie wie kleine, schwebende Hindernisse, die das Sehen zusätzlich erschweren.

Die Mouches sind ein ständiger Reminder: Mein Sehen ist nicht „normal“. Aber sie sind auch ein Teil meines Alltags geworden – wie ungebetene Gäste, die man irgendwann einfach mit einplant.

Fibromyalgie – Wenn der Körper schmerzt, obwohl nichts zu sehen ist

Stell dir vor, dein ganzer Körper fühlt sich an, als hättest du die schlimmste Grippe deines Lebens. Du bist verspannt, erschöpft, gereizt, als hätte dich jemand durch einen Schleudergang gedreht. Aber: Deine Blutwerte sind unauffällig. Röntgenbilder zeigen nichts. Und trotzdem tut alles weh.

Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, die den gesamten Körper betrifft – Muskeln, Sehnen, Bindegewebe. Und das Besondere: Die Schmerzen lassen sich medizinisch nicht „beweisen“. Es gibt keine Entzündung, keine Schwellung, kein klassisches Symptom, das man messen könnte.

Typische Beschwerden sind: Muskelschmerzen, Druckempfindlichkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme („Fibro-Fog“), Überempfindlichkeit gegenüber Reizen. Es ist, als würde mein Körper Schmerz verstärken, wo eigentlich keiner sein sollte.

Was bedeutet das für mich? Ich wache oft mit Schmerzen auf. Manchmal kann ich kaum liegen, manchmal ist jede Bewegung eine Qual. Es gibt Tage, da geht fast nichts – und andere, an denen es irgendwie klappt. Das Schlimmste ist nicht nur der Schmerz, sondern das Nicht-ernst-genommen-Werden.

Fatigue-Syndrom – Wenn Erschöpfung ein ganz neues Level erreicht

Stell dir vor, du wachst morgens auf – und bist schon erschöpft. Nicht müde, wie nach einer langen Nacht. Sondern ausgelaugt. Leer. Als hättest du den Akku deines Körpers über Nacht nicht geladen, sondern weiter entladen. Und egal wie lange du schläfst oder ruhst: Die Energie kommt nicht zurück.

Fatigue ist eine tiefgreifende, chronische Erschöpfung, die sich nicht durch Schlaf oder Pausen bessert. Sie betrifft Körper und Geist – gleichzeitig. Ein Spaziergang kann sich anfühlen wie ein Marathon. Ein Gespräch kann dich komplett auslaugen. Und selbst alltägliche Dinge wie Duschen oder Einkaufen werden zu echten Herausforderungen.

Ich muss meine Kraft einteilen wie andere ihr Geld – sehr bewusst, sehr begrenzt. Ich sage Verabredungen ab, weil mein Körper plötzlich „ausschaltet“. Ich brauche Pausen, auch wenn ich gar nichts „getan“ habe. Fatigue zwingt mich zur Achtsamkeit – ob ich will oder nicht. Und sie erinnert mich täglich daran, dass Energie ein kostbares Gut ist.

Schwergradige Schlafapnoe – Wenn der Schlaf zur Gefahr wird

Stell dir vor, du schläfst – und plötzlich hörst du auf zu atmen. Nicht einmal, nicht zweimal – sondern immer wieder. Jede Nacht. Du bekommst es nicht mit. Aber dein Körper merkt es. Und irgendwann schreit er auf – holt Luft, schaltet in Alarmzustand. Wieder und wieder.

Das ist Schlafapnoe. Dabei erschlaffen im Schlaf die Muskeln im Rachen so stark, dass die Atemwege blockiert werden. Die Luftzufuhr wird unterbrochen. Der Sauerstoff im Blut sinkt. Und der Körper reagiert mit einem Wecksignal – oft unbemerkt.

Menschen mit schwergradiger Apnoe haben mehr als 30 Atemaussetzer pro Stunde. Der Schlaf ist kein echter Schlaf mehr. Die Tiefschlafphasen fehlen, die Erholung bleibt aus. Der Körper ist im Dauerstress – auch wenn du denkst, du schläfst.

Ich habe eine schwergradige Form. Ohne Hilfsmittel ginge es nicht mehr. Heute nutze ich ein CPAP-Gerät – eine Atemmaske, die im Schlaf für Überdruck sorgt und die Atemwege offen hält. Es ist nicht angenehm. Aber es rettet buchstäblich den Schlaf – und die Gesundheit.